Stresstest für den Forschungsreaktor Wannsee nachbessern – Überflugverbot sicherstellen

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

Das Parlament weist den Bericht zur Sonderprüfung des Forschungsreaktors, der dem Parlament mit Drs. 17/0074 vom 22.12.2011 zur Kenntnis gegeben wurde, zurück, weil er die Vorgaben des Parlaments nicht erfüllt.

Der Senat wird aufgefordert:

Die Sonderprüfung wie vom Parlament gefordert vollständig und ergebnisoffen durchzuführen bzw. nachzubessern, da auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens eine Gesamtbeurteilung des Risikos nicht möglich ist. Bis zu einer unabhängigen Klärung der Risiken soll der Forschungsreaktor BER II nicht wieder in Betrieb gehen.

Das strikte Überflugverbot für den Reaktor aufrecht zu erhalten und in diesem Sinne bei den zuständigen Stellen auf den Verlauf der Flugrouten Einfluss zu nehmen.

Dem Abgeordnetenhaus darzulegen, welche Großforschungseinrichtungen nach Berlin geholt werden können, da der Forschungsreaktor mindestens mittelfristig wegfallen wird. Zudem soll mit dem Helmholtz-Zentrum und den beteiligten Wissenschaftseinrichtungen umgehend geklärt werden, welcher Weg gemeinsam beschritten werden muss, um den Reaktor schnellstmöglich abzuschalten und auf andere Neutronenquellen, z.B. Spallationsquellen, umzusteigen.

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30. März 2012 zu berichten.

Begründung

In der 16. Wahlperiode wurde der damalige Senat vom Parlament aufgefordert, den Versuchsreaktor am Helmholtz-Zentrum vor der Wiederaufnahme des Betriebs einer zeitnahen, vollständigen und ergebnisoffenen Sonderprüfung zu unterziehen. Die Ergebnisse der Sonderprüfung wurden dem Parlament mit der Drs. 17/0074 vom 22.12.2011 zur Kenntnis gegeben. Der Bericht erfüllt die Vorgaben des Parlaments nicht.

Die Prüfung erfolgte durch den TÜV Rheinland, der in der Vergangenheit auch das Genehmigungsverfahren durchgeführt hat. Dass der TÜV Rheinland kaum geeignet ist, seine bisherige Genehmigungspraxis selbst zu prüfen, ist offensichtlich. Diese Prüfung war nicht ergebnisoffen, der Senat hat den Beschluss des Abgeordnetenhauses vom Juni 2011 nicht umgesetzt. Die Prüfung erfolgte (bei sinngemäßer Anwendung des Anforderungskatalogs der Reaktorsicherheitskommission) ausschließlich auf Grundlage der Genehmigungsunterlagen, sowie von der Betreiberin vorgelegten Unterlagen. Dabei wurde unterstellt, dass sich die Anlage im „genehmigungskonformen Zustand befindet und dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik mit Blick auf die Sicherheit der Anlage genügt“ – eine Prüfung vor Ort/des realen Zustands erfolgte nicht.

Flugzeugabstürze werden seitens der Betreiberin/des Gutachters dem „Restrisikobereich“ zugeordnet. Die Anlage BER II ist nicht für den Absturz schwerer und/oder schneller Flugzeuge ausgelegt, da sie nur ein dünnes Dach und keine Betonsicherheitskuppel /Containment besitzt.

Die Aussagen zum Überflugverbot/Flugrouten BER Schönefeld sind widersprüchlich. Einerseits heißt es „die neu vorgeschlagenen Flug-routen für den BBI in Schönefeld wurden kürzlich veröffentlicht und betreffen den BER II nicht, denn das HZB liegt außerhalb der Flugkorridore.“ (S. 28) Andererseits wird „eine Neubewertung der Absturzwahrscheinlichkeit nach Inbetriebnahme“ des Flughafens BBI (S.89) als sinnvoll angesehen.

Es gibt keine Bewertung des (zusätzlichen) Risikos durch die Zentralstelle für radioaktive Abfälle (ZRA) am Standort. Die Lagerkapazitäten der Landessammelstelle sind so gut wie ausgeschöpft, eine zentrale Sammlung bzw. Endlagerung der Abfälle ungeklärt. Die Bewertung verschiedener Szenarien (z.B. Erdbeben, Explosion) durch den TÜV Rheinland hatte zum Ergebnis, dass der Betreiberin verschiedene Auflagen, insbesondere zur Verbesserung von Notfallmaßnahmen gemacht wurden. Bauliche Maßnahmen für die Erhöhung der Sicherheit sollen nicht erfolgen. Ein „Stresstest“ wurde nicht durchgeführt, möglicher Stress durch einen Flugzeugabsturz als unwahrscheinlich ausgeschlossen.

Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass der Forschungsreaktor als Neutronenquelle für die wissenschaftliche Forschung ein „Auslaufmodell“ ist und man in der Wissenschaft zukünftig auf andere Arten von Neutronenquellen umsteigen muss. Daher setzen sich Bündnis 90/Die Grünen dafür ein, dass der Reaktor schnellst-möglich abgeschaltet wird und die Forschungsaktivitäten auf andere Neutronenquellen, z.B. Spallationsquellen, umgestellt werden. Da der Forschungsreaktor mittelfristig in Berlin verloren geht, ist von entscheidender Bedeutung, dass der Senat Konzepte entwickelt, wie dies für den Forschungsstandort zu kompensieren ist. Darum muss jetzt in einen zeitlich definierten Prozess eingetreten werden, in dem das Helmholtz-Zentrum, die anderen Wissenschaftseinrichtungen Berlins, die an der dortigen Forschung beteiligt sind, der Bund und das Land Berlin erstens klären, was dies für den Forschungs-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin heißt, zweitens wie durch eine Verschiebung der Forschungsaktivitäten frühzeitig darauf hingearbeitet werden kann, dass die Arbeitsplätze und Forschungs-kapazitäten für WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen nicht ersatzlos wegfallen, sondern erhalten bleiben, und drittens wie das in Berlin am BER II gewonnene Wissen sinnvoll in die Unterstützung der Entwicklung von Alternativen zur Erzeugung von Neutronen für Forschungszwecke eingebracht werden kann.

Auch wenn die Fraktion Bündnis90/Die Grünen den Forschungsreaktor als wichtigen Teil der Forschungslandschaft Berlins ansieht, müssen die Sicherheitsfragen im Vordergrund stehen. Der Senat wird aufgefordert, die Prüfung in der vom Parlament beschlossenen Form auszuführen. Bis zur endgültigen Abklärung der Risiken darf der Forschungsreaktor BER II nicht wieder in Betrieb genommen werden.

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