Zu lange dauerte die Suche nach geeigneten Gebäuden für Flüchtlingsunterkünfte in Steglitz-Zehlendorf. Lange dauerten auch die Verhandlungen zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) und der zukünftigen Betreiberfirma, nachdem zwei Gebäude gefunden wurden.

Viele BürgerInnen, die sich engagieren wollten, schlossen sich derweil mit VertreterInnen von Vereinen, Parteien und Kirchen, sowie mit MitarbeiterInnen der Verwaltung zu einem Willkommensbündnis zusammen. Bei dessen Gründungsveranstaltung im Rathaus Zehlendorf Anfang Mai diesen Jahres kamen über 300 Menschen. Ein Raunen der Ungeduld war unter ihnen zu vernehmen und entsprechend fielen die Fragen an das Bezirksamt aus, warum sich Ermittlung und Inbetriebnahme von Unterkünften so in die Länge ziehen. Denn es handelt sich um Menschen in äußerster Not.

Diese äußerste Not heißt Überleben. Niemand nimmt die Strapazen des Fußweges gen Okzident auf sich, um freiwillig seine Heimat, Familienmitglieder und Freunde zu verlassen. Niemand verschuldet sich freiwillig, um ein Leben lang die Summe zurückzuzahlen, die den Menschschmugglern für ein Menschenleben gezahlt wurde.

 

Flüchtlingschiff (Quelle: Wikipedia)

Die Großformatbilder der Nachrichtenmagazine und die Handkameraaufnahmen versuchen realitätsnahe Facetten des Kriegs und der Verfolgung, der Panik und der Trostlosigkeit zu uns nach Hause zu bringen. Sie lassen uns trotz der im Untertitel vermittelten Entfernung für einen Moment erschaudern.

Eine Reise durch den Balkan konfrontiert uns streckenweise mit einem unglaublichen Elend, in dem viele Menschen, auch ohne bewaffnete Konflikte, hier in Europa leben. Das bewegt und erschreckt zugleich, denn diese äußerste Not beginnt sich in Formen des Protests zu entladen oder erschüttert rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen unserer Gesellschaft. Die Facetten fügen sich zu einer Forderung für ein anderes politisches Handeln auf gesamteuropäischer Ebene im Hinblick auf die Flucht als ein globales Problem zusammen. Aber auch die persönliche Frage kommt auf: Wie gehen wir selbst damit um? 

Nach dem institutionellen Zusammenschluss von solidarischen Menschen wurde nun die zweite Unterkunft in Steglitz-Zehlendorf geöffnet. In Zahlen betrachtet – die medienwirksam gern als ein quantitativer Maßstab für Solidarität gelesen werden – bietet die Unterkunft an der Goerzallee Platz für nur 200 Menschen. Hier werden sie auf ihre Zulassung zum Asylverfahren sowie auf den Abschluss des Verfahrens bis zu drei Jahren warten. Die ersten 85 Menschen wohnen schon hier.

Die Unterkunft befindet sich in einem Industriegebiet, das aber an Einkaufsmöglichkeiten, Vereinen und Schulen gut angebunden ist. Die Wohnräume sind groß und frisch renoviert, für Familien sind zwei Zimmer vorgesehen; es fehlt allerdings an Grünflächen und Spielmöglichkeiten für Kinder. Dafür ist nicht nur ehrenamtliches Engagement, sondern auch ein gezieltes Handeln des Bezirksamts für die Bereitstellung von Freizeit- und Sportmöglichkeiten gefragt. Ein parteiübergreifender Antrag auf Initiative der Grünen zur Unterstützung der Flüchtlinge durch den bezirklichen Sportbund liegt bereits vor; nun kann er zusammen mit anderen Unterstützungsangeboten in die Tat umgesetzt werden. 

Die Unterkunft gehört – wie auch das andere Gebäude für eine dritte Unterkunft in Steglitz-Zehlendorf – einem privaten Eigentümer. Die Verhandlungen über diese nächste Möglichkeit erweisen sich als schwer. Seitens des Bezirksamts wurde außerdem ein bezirkseigenes Grundstück am Ostpreußendamm dem LaGeSo angeboten; seit April dieses Jahres überprüft das Amt dessen Eignung für einen Neubau. Um zusätzliche Alternativen in Aussicht zu stellen, gehen wir Grüne einer Liste mit Gebäuden und Grundstücken nach, die in unserem Bezirk liegen, aber in der Obhut des Liegenschaftsfonds des Landes Berlin stehen. Uns ist bewusst, dass mehr Raum notwendig ist und die Unterbringung in Wohnungen die bessere Lösung ist. Auch diese Suche wird Zeit in Anspruch nehmen. Die Koordination und Kommunikation zwischen den Akteuren der Unterbringung funktioniert nicht immer gut, sie könnte auch durch mehr Mut zum Handeln effizienter werden. Die ungeduldigen Ehrenamtlichen machen das vor und wirken so ein Stück gegen die Zeit, denn Zeit haben diese Menschen in der Not am wenigsten.

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