Wahlen müssen wiederholt werden
der Berliner Verfassungsgerichtshof hat heute die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen aufgrund gravierender Mängel bei der Vorbereitung und Durchführung im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt. Wir respektieren und akzeptieren das Gerichtsurteil. Die Innenverwaltung steht nun in der Pflicht, funktionierende Wiederholungswahlen sicherzustellen. Wir haben als Partei frühzeitig alle Vorbereitungen getroffen, um den anstehenden Wahlkampf bestmöglich führen zu können. Gleichwohl werden wir in den kommenden Monaten auch unserer Regierungsverantwortung gerecht werden.
Wir haben die Urteilsverkündung heute vor Ort verfolgt und möchten Euch hier einen ersten Überblick über die wesentlichen Aspekte des Urteils geben.
Was hat das Landesverfassungsgericht entschieden?
Die Richter*innen haben geurteilt, dass nur eine vollständige Wiederholungswahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen die Vielzahl der schweren Wahlfehler heilen kann. Der Landesverfassungsgerichtshof hat dazu festgehalten, dass
- die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt werden.
- die Wiederholungswahl innerhalb von 90 Tagen stattfinden muss. Derzeit gehen wir davon aus, dass diese Wahl am Sonntag, den 12. Februar 2023 stattfinden wird. Eine offizielle Ankündigung des Wahlleiters steht noch aus.
- mit der Wiederholungswahl keine neue Wahlperiode beginnt. Das heißt die nächste turnusmäßige Wahl findet im Jahr 2026 statt.
- alle bis zur heutigen Verkündung der Ungültigkeit beschlossenen Rechtsakte des Abgeordnetenhauses und der BVVen wirksam bleiben.
- das Parlament und die Regierung bis zum Abschluss der Wiederholungswahl durch den erstmaligen Zusammentritt des Abgeordnetenhauses in neuer Zusammensetzung nach der Wiederholungswahl berechtigt sind, die zur Sicherstellung der Kontinuität staatlichen Handelns notwendigen Aufgaben wahrzunehmen.
In Ihren Ausführungen machten die Richter*innen noch einmal deutlich, dass
- schon die Vorbereitung der Wahlen den Anforderungen der Landeswahlvorschriften nicht genügten und dies Auswirkungen auf das gesamte Wahlgeschehen hatte. Dazu zählten fehlende, falsche und kopierte Stimmzettel, die Schließung von Wahllokalen während der Wahlzeit oder aber die flächendeckende Öffnung von Wahllokalen über 18 Uhr hinaus.
- die eine Vielzahl wahlberechtigter Bürger*innen ihre Stimme nicht, nicht wirksam, nur unter unzumutbaren Zuständen oder unter Beeinflussung abgeben konnten.
- die Wahlfehler mandatsrelevant seien. Im Abgeordnetenhaus beträfe dies alle Zweitstimmen, d. h. derzeit 69 Sitze, sowie ein substanzieller Teil der Erststimmen, d. h. mindestens weitere 19 Sitze, und damit insgesamt 88 von 147 Sitzen.
- eine nur punktuelle Wiederholungswahl dem verfassungsrechtlichen Grundsatz widerspräche, dass das Gesamtergebnis einer Wahl eine einheitliche Momentaufnahme des Volkswillens zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen soll.
Wie ist der Stand des Wahlprüfverfahrens zur Bundestagswahl?
In der letzten Woche hat der Bundestag seinen Beschluss zu den 1713 Wahleinsprüchen zur Bundestagswahl vom September 2021 in Berlin gefasst. Die Wahl soll in 431 von 2257 Berliner Wahllokalen wiederholt werden. Dabei soll in den betroffenen Wahlbezirken sowohl die Erst- als auch die Zweitstimmenwahl wiederholt werden. Mit dem Beschluss begann nun eine zweimonatige Einspruchsfrist beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die abgewartet werden muss. Denn anders als im Land, handelt es sich im Bund um ein zweistufiges Wahlprüfverfahren. So lange ist die Entscheidung nicht rechtskräftig und die 60-Tage-Frist für die Durchführung der Neuwahl nicht in Kraft. Beobachter*innen schätzen die Wahrscheinlichkeit hoch ein, dass Einspruchsführer*innen, Fraktionen oder einzelne MdBs vor das BVerfG ziehen werden. Es ist folglich nicht davon auszugehen, dass die beiden Wiederholungswahlen auf einen Tag fallen werden.