80. Jahrestag 20. Juli 1944
Wir erinnern mit einem Artikel von Dirk Jordan an einen Vielen weniger bekannten unter den damaligen Widerstandskämpfern (Cäsar von Hofacker), von denen mehrere besonders Herausragende in Steglitz und Zehlendorf lebten. Im Gedenken an den 20. Juli 1944 und an Cäsar von Hofacker führen wir am 20. Juli 2024 in Schlachtensee einen Rundgang zur Niklasstraße 12 durch. Treffpunkt ist um 14 Uhr der Hedwig und Georg Flatow Platz (Niklasstraße/ Lindenthaler Allee). Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, ist eine Anmeldung bis zum 19.7. unter: rundgang@jordandirk.de nötig.
Die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf hatte aus Anlaß des 80. Jahrestages des 20. Juli 1944 kürzlich beschlossen, das Bezirksamt zu ersuchen, ein umfassendes Gedenkkonzept zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Gewaltregime in Steglitz-Zehlendorf zu entwickeln. Angehörige verschiedener Widerstandssgruppierungen, aber insbesondere die an den Ereignissen rund um den 20. Juli 1944 Beteiligten, sollen angemessen gewürdigt werden. Darüber hinaus wird das Bezirksamt gebeten, eine regionalhistorische Stele zur Erinnerung an die Widerstandskämpfer in Steglitz-Zehlendorf zu errichten. Diese könnte beispielsweise in der Wrangelstraße 10 aufgebaut werden und neben Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Ludwig Beck an das Schicksal von Erich Fellgiebel erinnern, der dort seinen Wohnsitz hatte.
Dirk Jordan hatte bereits in unserer Zeitung Südweststachel (dort auf Seite 8) anläßlich der Europawahl 2024 den damaligen Widerstand gewürdigt mit dem Thema: Europa als Antwort auf die Nazi-Diktatur – Der Kreisauer Kreis in Steglitz-Zehlendorf.
20. Juli 2024 – 20. Juli 1944
Dirk Jordan
In diesem Jahr jährt sich der versuchte Staatsstreich gegen das Naziregime und seinen verbrecherischen „Führer“ zum 80. Mal. Grund genug daran zu erinnern. In den vergangenen Jahren gab es im Bezirk aus diesem Anlass Gedenkveranstaltungen zu Oberst Graf von Stauffenberg, Generaloberst Beck oder General Fellgiebel. In diesem Jahr gibt es nichts Vergleichbares.
Auf direkte Nachfrage erklärte die Stadträtin für Bildung und Kultur sich dafür nicht zuständig, ein merkwürdiges Amtsverständnis. Umso wichtiger ist es, hier an eine weitere Person aus dem Kreis des militärischen Widerstandes zu erinnern, an Cäsar von Hofacker, der in Paris erfolgreich die Widerstandsaktionen umsetzte und in Schlachtensee in der Niklasstraße 12 mit seiner Familie wohnte.
Wer war Cäsar von Hofacker, der sicher nicht als Widerstandskämpfer geboren wurde und in seiner studentischen Zeit aktives Mitglied rechtsradikaler Gruppen war. Der Schritt zum Widerstand war für ihn lang und sicher auch schmerzhaft, aber er machte diesen Schritt wie eine Reihe anderer, die aus ähnlichen Kreisen stammten. Für uns heute ein Hinweis, nicht vorschnell über Menschen zu urteilen.
Cäsar von Hofacker wurde 1896 geboren und wuchs in einer bekannten schwäbischen Familie auf. Sein Vater wählte die militärische Laufbahn und wurde in dieser Zeit in den erblichen Adelsstand erhoben. Er war u.a. der Divisionskommandeur des späteren Generalfeldmarschalls Erwin Rommel, des Oberkommandierenden der Westfront 1944, von dem die Verschwörer des 20. Juli bei Erfolg zumindest Loyalität erwarteten, der aber kurz vorher schwer verwundet von dem Posten entbunden wurde. Mütterlicherseits war Cäsar von Hofacker ein Vetter von Claus und Berthold Schenk von Stauffenberg. Zu seinen Freunden aus Jugendtagen gehörte Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, alles Mitglieder preußischer Adelsfamilien, von denen viele am 20. Juli aktiv beteiligt waren.
Nach dem Jurastudium erhielt Cäsar von Hofacker verschiedene Posten in deutschen Industrieverbänden und entwickelte daraus eine erkennbar realitätsbezogenere Haltung in politischen Fragen, trat aber 1937 in die NSDAP ein. Er hatte 1927 geheiratet und eine Familie gegründet, die im Laufe der Jahre zwei Söhnen und drei Töchter umfasste. 1934 wollte er wegen der „heutigen ungewissen Zeit“ (!) ein Haus „als Refugium in Zeiten der Not für Kinder und Enkel“ erwerben, was er aber erst 1940 mit dem Einzug der Familie in das Haus in der Niklasstraße 12 (damals Chamberlainstraße) realisierte.
Schon bald nach seinem Eintritt in die NSDAP schlug er in einer Denkschrift für den Kreis seiner Freunde, dem „Grafenkreis“, deutlich kritische Töne an: Die durch die Münchner Konferenz im September 1938 eröffneten „Möglichkeiten wurden von der deutschen Politik bewusst nicht ausgenutzt, sondern … durch die Pressekampagne gegen England, die Maßnahmen des 10. November 1938 und schließlich die Auflösung der Tschechei in ihr Gegenteil verkehrt“.
Damit nennt von Hofacker die zwei wesentlichen Motive, die ihn und viele seiner Mitverschwörer spätestens ab diesem Zeitraum dazu brachten, sich gegen Hitler und damit auch gegen den NS-Staat zu stellen. Es ist zum einen die erkennbare Kriegsvorbereitungspolitik Hitlers, durch die für sie die Vernichtung ihres Vaterlandes drohte, und zum anderen der mörderische Antisemitismus der Nazis, der all ihren religiösen oder humanistischen Werten widersprach, weil die Nazis den Juden das Menschsein absprachen.
Ab diesem Zeitpunkt bewegt sich auch von Hofacker in Richtung Widerstand, vollständig eingebunden war er wohl erst ab 1943. 1938 war er schon als Luftwaffenoffizier reaktiviert worden. 1940 wechselte er auf eine Militärstelle in Paris. Seine frühere Tätigkeit als Prokurist der Vereinigten Stahlwerke machten ihn zum Leiter des Referats „Eisenschaffende Industrie und Gießereien“ in Frankreich. In Paris war General Carl-Heinrich von Stülpnagel im Februar 1942 Militärbefehlshaber geworden war, der Teil des militärischen Widerstandes war und zu dem Cäsar von Hofacker ein enges Vertrauensverhältnis entwickelte. In Absprache mit seinem Vetter Claus Graf von Stauffenberg erstellte er im Winter 1943/44 die Planungen für den Tag X in Paris.
Nach der Invasion am 6. Juni 1944 in der Normandie (D-Day) wurde der Umsturzversuch immer dringlicher, dem Hofacker selber aber nur eine Chance von 2:98 gab und dennoch aktiv beförderte. Als am späten Nachmittag des 20. Juli endlich das Stichwort für das erfolgte Attentat in Paris eintraf, ließ von Hofacker sofort die Befehlshaber und Mannschaften von SD und Gestapo in Paris festsetzen. Da aber das Attentat fehlgeschlagen war und Hitler lebte, mussten die Inhaftierungen noch in der Nacht zum 21. Juli aufgehoben werden. Der Umsturz in Paris war erfolgreich, aber der 20. Juli in Deutschland gescheitert. In Paris wurde Cäsar von Hofacker am 25. Juli verhaftet.
Zusammen mit den Pariser Mitverschworenen stand er am 29. August vor dem Volksgerichtshof. Hofacker zeigte sich ungebrochen in Erwartung des Todesurteils. Getroffen hat er seine Richter, als er die Legitimität des Widerstandes gemäß einem Gestapo-Zeugnis durch die „ungeheuerliche Behauptung“ begründete, „er habe am 20. Juli mit dem gleichen Recht gehandelt, wie der Führer am 9. November 1923.“ Als Freisler ihn unterbrechen wollte, sagte er: „Sie sollten jetzt schweigen, Herr Präsident, heute geht es um meinen Kopf, in einem Jahr um den Ihren!“ Aber während die Todesurteile der Mitangeklagten umgehend vollstreckt wurden, stand Hofacker noch eine Leidenszeit von fast vier Monaten in Gestapo-Haft bevor; durch die Anwendung der Folter wollte man den „Kopf der am 20. Juli 1944 in Paris abgelaufenen Putschmaßnahmen“ zu Angaben über Mitverschworene zwingen. Am 20. Dezember wurde Cäsar von Hofacker in Plötzensee ermordet.
Im Gedenken an den 20. Juli 1944 und an Cäsar von Hofacker führen wir am 20. Juli 2024 einen Rundgang zur Niklasstraße 12 durch. Treffpunkt ist um 14 Uhr der Hedwig und Georg Flatow Platz (Niklasstraße/Lindenthaler Allee) Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, ist eine Anmeldung bis zum 19.7. unter: rundgang@jordandirk.de nötig.
1940, Quelle: privat/GDW